Vor der Geburt meiner Tochter Nadezhda kam nie ein Zweifel oder die Frage auf, ob ich stillen werde. Es war so selbstverständlich. Alle Freundinnen und Bekannten haben letztendlich ihre Babys gestillt und manche ihrer intimen Momente des Glücks und Seligkeit stolz und in Erinnerung verträumt mit mir geteilt.
Also wartete ich so sehnsüchtig auf diesen süßen Moment der Stille und Verbundenheit mit meinem Baby. Und irgendwie wusste ich, das wird meine Geburtsstunde als Mutter, endlich werde ich diese Muttergefühle verspüren, die während der Schwangerschaft noch sehr zögerlich zum Vorschein kamen.
Es geschah aber anders und es begann alles noch in der Klinik.
Endlich war mein Baby da, ich hielt es in meinen Armen, es suchte meine Brust, es trank zum ersten Mal im Kreißsaal. Und wir hatten diesen einzigartigen und innigen Augenblick zusammen.
Jetzt sollte ich es so oft wie es geht anlegen, mindestens alle drei Stunden. Auf der Station wurde mir der Stillvorgang erklärt und an meiner eigenen Brust gezeigt, aber es war irgendwie sehr mechanisch und theoretisch. Ich konnte nicht richtig hinein spüren, mich hingeben und in die Tat umsetzen. Dazu kam, dass ich sehr schnell wunde Brustwarzen bekam und meine Tochter mehr an Gewicht verloren hat, als sie sollte. Der Aufenthalt in der Klinik wurde verlängert und wir mussten zufüttern. Erst zuhause mit der Hilfe meiner Hebamme und mit dem richtigen Milchfluss wurde es etwas besser aber noch lange nicht entspannt. Die Schmerzen waren einfach so stark, dass ich mehrfach beim Stillen geweint habe und mich noch mehr gehemmt gefühlt habe. Ich wollte und konnte aber nicht aufhören zu stillen, nicht so leicht aufgeben, nicht versagen.
Ich habe aber innerlich und still so gelitten
Habe mir Vorwürfe gemacht. Zum Beispiel, dass das Muttersein vielleicht nicht das Richtige und Wahre für mich ist, dass ich es einfach nicht kann. Gleichzeitig war ständig die Sorge um das Gewicht meines Babys da und das fieberhafte Rennen nach den Stillminuten und der Milchmenge. Manche positiven Berichte meiner Freundinnen um ihre schönen Stillmomente und -erlebnisse haben mich noch mehr verzweifeln lassen und ich sah mich bald als Gefangene und Gefolterte vom Schicksal und in die Opferrolle verfallen. Der zu starke Milchspendereflex und der Milchstau kamen später als Krönung und Folge in diesem Teufelskreis hinzu. Ich hatte bislang nur in einer einzigen Position im Sitzen gestillt, mich fast nichts getraut und somit mich und mein Baby noch mehr gequält.
Ich kann nicht wirklich sagen, wie der Wendepunkt kam und welcher es genau war. Es musste sich etwas ändern, ansonsten drohte die Vollkatastrophe. Ich beneidete sogar meinen Mann, der sich so liebevoll und voller Zuneigung um unser Baby kümmerte. Er versuchte mir alles abzunehmen, was nur ging, damit ich mich zwischen den Stillvorgängen erholen kann. Und ich war einfach sauer, wütend, verletzt und hilflos. Aus purer Verzweiflung begann ich die Stillposition zu wechseln, zuerst im Liegen, danach seitlich im Sitzen.
Und es geschah, nach 10 Wochen klappte es auf einmal viel besser, mein Baby und ich haben endlich den Weg zueinander gefunden und die Bindung war da und stärker als nie zuvor. Ich denke, wir vertrauten einander jetzt und es war kein Kampf mehr sondern eine Teamarbeit. Und ein gemeinsamer Lernprozess und Erfolg. Und zum Glück auch für uns so selbstverständlich, dass ich jetzt schon dem Moment des Abstillens entgegentrauere.
Ich habe lange während dessen und nachher überlegt. Was hätte mir persönlich geholfen, um nicht so überrumpelt zu werden. Ich denke, dass das Thema Geburt viel stärker thematisiert und vorbereitet wird.
Über das Stillen spricht man kaum vor der Geburt.
Ich hätte es lieber vorher gewusst und mich mental darauf vorbereitet, als von den Stillproblemen überrascht und entsetzt zu werden. Irgendwie fühlt man sich ganz alleine und verloren, weil auch nur wenige Frauen von sich aus darüber sprechen. Als ich dann selbst andere Mamas gezielt gefragt habe und mehr von mir erzählt habe, stellte ich mit Verwunderung fest, dass ich mit meinem Leid nicht allein war. Mehr (wirklich stattfindende) Stillvorbereitungskurse wären echt toll. Eine richtige Stillberatung in jeder Klinik und für jede Mama von Beginn an auch.
Wenn ich reflektiere, wie viel mir die Meditation bei der Geburtsvorbereitung geholfen hat, bin ich über diese neue Folge zum Stillen in Sabrinas Podcast sehr froh und dankbar. Oder auch Erfahrungsberichte anderer Mamas, die offen und unverblümt über das Thema sprechen, könnten andere zumindest sensibilisieren, dass es in der Realität doch etwas anders als in der idealisierten Wunschvorstellung sein kann und dass es in Ordnung ist, den eigenen Gedanken und Gefühlen freien Lauf zu geben. Hilfe zu suchen, selbst zu entscheiden, was für mich und mein Baby das Beste ist.
Selbstverständlich ist nur das, was man selbst erlebt, fühlt und bestimmt.
Dani, 40 J., München